ROTKLEE XXI   BÖHMEN LIEGT AM MEER

Ein Dankeschön!  Das Cliff-Hotel Rügen, in Person des Direktors Peter Schwarz, hat uns diesmal großzügig unterstützt bei der Erstellung der Einladungspost!

 

Böhmen liegt am Meer

Sind hierorts Häuser grün, tret ich noch in ein Haus.
Sind hier die Brücken heil, geh ich auf gutem Grund.
Ist Liebesmüh in alle Zeit verloren, verlier ich sie hier gern.

Bin ich's nicht, ist es einer, der ist so gut wie ich.

Grenzt hier ein Wort an mich, so laß ich's grenzen.
Liegt Böhmen noch am Meer, glaub ich den Meeren wieder.
Und glaub ich noch ans Meer, so hoffe ich auf Land.

Bin ich's, so ist's ein jeder, der ist soviel wie ich.
Ich will nichts mehr für mich. Ich will zugrunde gehen.

Zugrund – das heißt zum Meer, dort find ich Böhmen wieder.
Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.
Von Grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.

Kommt her, ihr Böhmen alle, Seefahrer, Hafenhuren und Schiffe
unverankert. Wollt ihr nicht böhmisch sein, Illyrer, Veroneser,
und Venezianer alle. Spielt die Komödien, die lachen machen.

Und die zum Weinen sind. Und irrt euch hundertmal,
wie ich mich irrte und Proben nie bestand,
doch hab ich sie bestanden, ein um das andre Mal.

Wie Böhmen sie bestand und eines schönen Tags 
Zum Meer begnadigt wurde und jetzt am Wasser liegt.

Ich grenz noch an ein Wort und an ein andres Land,
ich grenz, wie wenig auch, an alles immer mehr,

ein Böhme, ein Vagant, der nichts hat, den nichts hält, 
begabt nur noch, vom Meer, das strittig ist, Land meiner Wahl zu sehen.

 

 

Ausstellungsansicht

Auszug aus der Eröffnungsrede von Günther Haußmann

Ziemlich genau aller 9 Wochen eröffnen wir eine neue Gemeinschaftsausstellung.  Immer sind wir bemüht, anspruchsvolle Themen zu wählen. Themen mit denen wir uns selbst herausfordern und genauso die Künstlerinnen und Künstler, die mit uns zusammenwirken.  Es sind mittlerweile über fünfzig Kolleginnen und Kollegen.  Diesmal sind dem Aufruf von Walter G. Goes, Frank Otto Sperlich und Günther Haußmann 14 Künstlerinnen und Künstler gefolgt:Egon Arnold, Klaus Böllhoff, Inga Carriere, Petra Feyerherd, Francoise Girouy, Rainer Görß, Detlef Günther, Jorinde Gustavs, Heidrun Kratzsch, Mario Kusel, Matthias Langer, Esther Rappsilber, Ursula Stroedicke und Hanns Studer.

Es ist das erste Mal, dass es die Verschränkung eines literarischen Themas mit dem der bildenden Kunst bei uns gibt. BÖHMEN LIEGT AM MEER – das Gedicht der Ingeborg Bachmann, von dem sie selbst sagte, es sei ihr bestes und letztes und an uns alle gerichtet, weil damit alles gesagt sei.

Den gesamten Text finden sie HIER 

 

Vortrag von Marie Michael • Sektion Germanistik an der Uni Rostock

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Künstler,

Ingeborg Bachmann hat in ihrer Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises das Folgende gesagt:„Meine Existenz ist eine andere, ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe. […] Es ist eine seltsame, absonderliche Art zu existieren, asozial, einsam, verdammt, es ist etwas verdammt daran.“

Diese Sätze verraten uns schon etwas Wesentliches über Ingeborg Bachmanns Beziehung zur Literatur. Das Schreiben war für sie sowohl lebensnotwendig als auch identitätsstiftend. Für sie bildete es nicht bloß die Grundlage ihres Daseins, sondern auch dessen Rechtfertigung. Und so ist auch „Böhmen liegt am Meer“ ein sehr persönliches Gedicht. Vielleicht haben ein paar von Ihnen, so wie ich, schon einmal im Internet nachgeforscht und sind auf eine Aufnahme gestoßen, die uns erleben lässt, wie Bachmann die Zeilen selbst vorträgt. Sie spricht sie wie eine Beschwörung. Ruhig und getragen erzeugt sie einen ganz speziellen Fluss. Aber für den Fall, dass Sie gerade zum ersten Mal mit diesem Gedicht konfrontiert sind, wollte ich zumindest meine eigene Stimme als bescheidenen Ersatz anbieten. Denn ich finde, dieses Gedicht ist eines, das man gelesen undgehört haben muss. Falls es Sie jetzt ein wenig verwirrt dieses Gedicht, wenn Sie das eine oder andere Rätsel wittern, wenn Sie das Gefühl haben, irgendetwas daran nicht richtig begreifen zu können, dann kann ich Sie beruhigen: Mir ging es ganz genauso.

Wir wollen gemeinsam versuchen, uns dem Gedicht ein wenig zu nähern. Wir betrachten die Umstände seiner Entstehung, vollziehen den Wandel nach, den es mit der Zeit durchgemacht hat und folgen versteckten Querverweisen in andere Werke. Denn für die Interpretation werden zentrale Motive von Bachmanns Schaffens ebenso bedeutsam sein wie biographische Eckpunkte.

Den gesamten Text finden sie  HIER :

Impressionen aus BÖHMEN AM MARKT…